Mein Weg in die Therapie

Mein Weg in die Therapie

„Ich will endlich aufhören, ständig meine Haut zu bearbeiten, meine Nagelhäute abzupulen oder Pickelchen auszuquetschen.“ Diese Gedanken hatte ich ständig. Ich war selbst genervt von mir und habe es dann drei Jahre nach dem ersten, gescheiteren Versuch doch nochmal gewagt. Und zum Glück eine Lösung gefunden, die mir bereits heute im Alltag hilft, mein Problem in den Griff zu bekommen.

"So geht es nicht weiter.."

Das war so ziemlich der Anfang meiner Reise in ein (hoffentlich) knibbel- und pulfreies Leben. Denn genau dieser Gedanke bzw. dieses Gefühl begleitete mich immer stärker, je öfter ich mich mal wieder beim Bearbeiten meiner Haut an den verschiedensten Stellen verloren habe.

Außerdem merkte ich, wie meine Episoden mit Anstieg meines Stresslevels immer intensiver wurden. Und da ich nicht gerade ein stressfreies Leben führe, wie ich hier bereits angedeutet habe, ist das Gefühl von Stress ein ständiger Begleiter. Diesen habe ich mir zwar oft selbst ausgesucht und in Teilen brauche ich ihn auch, um zu funktionieren, er führt aber auch eben dazu, dass mein Gehirn diesen Stress auch irgendwann mal „loslassen“ muss. Und das tut es dann, indem ich sämtliche Areale meiner Haut bearbeite. 

Ein kleiner Auszug - Achtung, eklig!

Ein kleiner Auszug davon: 

  • Nagelhaut: Diese ist besonders stark bei mir betroffen. Ich habe das Gefühl, dass – sobald Nagelhaut an meinem Nagel ist – diese irgendwie weg muss, weil ich mich dann „freier“ fühle (schön bescheuert, nicht wahr?!). Dabei spielt es keine Rolle, ob es Finger- oder Fußnägel sind. Diese bearbeite ich dann nicht nur mit den Fingernägeln (damit kommt man so schön unter die Haut), sondern wahlweise auch mit Nagelscheren, Pinzetten und was die Welt der „Schönheitspflege“ noch so hergibt. 
  • Kopfhaut: Gerade bei Zyklusschwankungen habe ich ab und zu so Minipickel auf der Kopfhaut, die auch wehtun (aber nur mit Wasser gefüllt sind) und ich so lange dran rumkratze, bis das Gefühl des Schmerzes nachlässt. Das hat meistens die Konsequenz, dass sich Schorf bildet, den ich genüsslich immer und immer wieder abkratze, indem ich mir über die Kopfhaut fahre. 
  • Oberarme und -schenkel: Kennt ihr diese kleinen Pickelchen, die eigentlich nur kleine Hubbel auf der Haut sind? Die kann man wunderbar ausquetschen. Und dann hat man richtig viele kleine rote geschwollene Quaddeln auf der Haut. Nicht schön! 
  • Leberflecken: Ich „liebe“ es auch, mir diese borstigen Haare aus den Leberflecken mit einer Pinzette zu ziehen – vor allem an zwei Stück im Gesicht. Sobald meine Finger auch nur einen Hauch von borstigen Haaren spüren MUSS. DAS. WEG!!! Also bohre ich rum, bis ich endlich das Haar ausfindig gemacht habe, was dieses Störgefühl verursacht hat (was ein Erfolgserlebnis, sag ich euch!!!). Und natürlich zieht das auch oft fiese Entzündungen nach sich – den Frust nicht zu vergessen, wenn ich nach minutenlangem Rumgepule das Haar nicht greifen konnte.

Die Lösung nimmt manchmal seltsame Wege

Den Stein ins Rollen brachte dann ein Aufruf von Jule Müller von imgegenteil.de. Sie ist eine der beiden Gründerinnen dieser etwas anderes Singlebörse und Blog. Und da ich das Konzept von Anfang an spannend fand, bin ich dem Instagram Kanal gefolgt. Und genau auf diesem erzählte Jule irgendwann Mitte 2018 etwas über ihr Problem, dass sich Skin Picking nennt. Sie erzählte, dass Skin Picking zu den sogenannten BRFB-Störungen gehört:

Body-focused repetitive Behaviour

Ungefähr eine von fünfzig Personen leiden unter Verhaltensstörungen, die diesem Bereich zugeordnet sind. Dazu zählen u.A. Skin Picking, Hair Pulling, Nägelkauen oder Wangenbeißen.

Für Leute, die darunter leider, hat Jule direkt einen geschützten Raum im Rahmen einer geheimen Facebook-Gruppe geschaffen, damit sich Betroffene besser austauschen könne. Ich trat bei und sie machte direkt den Anfang mit einem Post darüber, dass sie eine Therapie gemacht hat und es seitdem viel besser sei. In dem Moment machte es „Klick“ bei mir und ich hatte einen Lösungsansatz für mich: Ich will auch eine Therapie machen!

Skin Picking Hilfe

Emotionale Verstärker als Tritt in den Hintern!

Nun ist es ja oft so, dass man sich Dinge vornimmt, und diese immer wieder aufschiebt. Auch ich hab noch ein paar Monate gewartet, bis ein Gespräch mit meinem Freund mir den Arschtritt verpasst hat, den ich brauchte. Es ging um Familienplanung. Mir wurde schlagartig bewusst, dass, wenn wir irgendwann Kinder haben wollen, ich gar nicht mehr die Zeit und Nerven haben werde, mir ständig Gelnägel selbst zu machen. Außerdem wusste ich mittlerweile, dass Skin Picking auch weitergegeben werden kann. Forscher sind sich zwar noch nicht sicher, ob es direkt vererbt wird oder ob es eher das „Nachahmen“ ist, wenn man ein Verhalten auch schon in jüngsten Jahren bei einer nahe stehenden Person beobachtet. In meiner Familie haben alle, bis auf meine Mutter, das „Knibbel-Gen“. Mein Vater und auch meine drei Geschwister, es äußert sich nur anders bei ihnen. Nun war also nicht mehr nur der Zeitfaktor relevant, sondern auch die Frage „Will ich dieses Verhalten meinem Kind wirklich vorleben!?“. 

Therapeuten für Verhaltentherapie finden

Recherchieren, telefonieren und los geht's!

Endlich hatte ich Namen für das, was mich, seitdem ich 13 bin, begleitet. Um einem Reinfall wie bei meinem ersten Versuch nach Hilfe zu entgehen, konnte ich dieses Mal nun also viel zielgerichtet nach Hilfe suchen und musste nicht lange im Nebel rumstochern.

Also habe ich Google angeschmissen und bin auf der Website www.skin-picking.de auf eine Liste mit Therapeuten nach Postleitzahlen gestoßen, die Verhaltensstörungen dieser Art behandeln. HALLELUJA! Das war einfach.

Ich hab geschaut, welche der Therapeuten am dichtesten an mir dran waren und habe dann Frau Birgit Katenkamp direkt angeschrieben. Und von da an nahm das Glück seinen Lauf: Sie hatte noch einen Platz für eine Kurzzeittherapie. Wir trafen uns zu zwei Vorgesprächen, um zu schauen, ob die Chemie stimmt und ob eine Verhaltenstherapie in meinem Fall gute Erfolgsaussichten hat. Beides war der Fall. Sie half mir durch den Prozess bei der Krankenkasse und innerhalb von nur 3 Monaten konnte ich die Therapie starten. 

Der Verlauf der Therapie

Ich bin nun bereits seit Januar 2019 in therapeutischer Behandlung. Zum Glück habe ich ein tolles Umfeld, bei dem ich sehr offen damit umgehen kann, dass ich in Therapie bin. Auch bei der Arbeit habe ich es offen angesprochen, dass ich mich in therapeutische Behandlung begeben habe und deshalb ab und zu mal später komme. Das verringert den Stress ungemein, weil ich mich nicht verstecken muss.

Ein halbes Jahr später kann ich auch bereits erste große Erfolge für mich feiern. Ich war z.B. neulich das erste Mal mit meinen normalen Nägeln bei der Maniküre. Gelnägel trage ich seit 6 Wochen nicht mehr und ich schaffe es tatsächlich, meine Nagelhaut an den Fingernägeln im Großen und Ganzen in Ruhe zu lassen. Und darauf bin ich wahnsinnig stolz. Gerade gestern hab ich mich mit ein paar Nagellacken eingedeckt, weil schöne Nägel bei mir definitiv schlimmeres verhindern.

Im nächsten Blog-Beitrag werde ich euch einen Überblick über den Verlauf der Therapie geben, welche Up’s and Down’s es gab und was mich z.B. zu dem o.g. Erfolg gebracht hat. Bis dahin könnt ihr es ja mal ausprobieren, ob ein paar dieser Tipps und Tricks bei euch helfen. 

Antje

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